5. Tag – Feindesliebe
Das Gebot der Feindesliebe übte der Kaiser auf heroische Weise. Während seines Lebens vollzog er auf vorbildliche Weise immer wieder den Akt des Verzeihens. Die Krönung waren die Worte auf seinem Sterbelager: „Ich verzeihe allen meinen Feinden, allen, die mich beleidigt haben, und allen, die gegen mich arbeiten.“
Der Kaiser hatte während seines Lebens unter Lüge, Verleumdung und Beraubung schwer zu leiden gehabt.
Am 5. April 1925 schrieb Rudolf Brougier, ehemaliger Flügeladjutant Kaiser Karls in seinen Erinnerungen aus Kaiser Karls Thronfolgezeit 1916: „Echtes Gottvertrauen, reiche Herzensgüte, gewinnende Leutseligkeit, unermüdliche Pflichttreue, eine mehr als gute Begabung für militärische Dinge und ein nie versagendes Gedächtnis waren die Eigenschaften, die Erzherzog Karl als militärischen Führer auszeichneten. Seine Anlagen zur Einfachheit und Bescheidenheit waren durch eine konsequente Erziehung noch verstärkt worden. Ihm mangelte jede Pose, jedes sich in Szene setzen.
Bei allem natürlichen Frohsinn drückte ihn schon damals die Last der Verantwortung, die er einst werde tragen müssen. Der Mut und die persönliche Unerschrockenheit des Erzherzogs fand überall rückhaltlose Anerkennung; die Geringschätzung persönlicher Gefahr blieb auch dem Kaiser eigen, er hat sie in den schweren Zeiten immer neu bewahrt.
Dagegen fühlte er sich für das Wohl der Untergebenen im weitesten Sinne verantwortlich. Dieser Zug reiner Menschenliebe im Verein mit tiefer Religiosität bildete auch die mächtigste Triebfeder seiner beharrlichen Friedensbestrebungen. Dem Erzherzog-Thronfolger galt schon 1916 als höchstes Ziel, dass der Krieg bald und ehrenvoll für alle ein Ende finde; vom Tage des Regierungsantrittes angefangen, setzte er all seine Kraft in dieser einen Richtung ein: die Völker seines Reiches vor weiteren Opfern zu bewahren und als Friedenskaiser über ein verjüngtes Österreich zu herrschen.“
Es ist schon hart, dass ein Mensch mit einem solchen edlen Charakter und solchen Tugenden erbittert bekämpft und versucht wurde, die Ehre seines guten Namens durch Lügen zu zerstören. Nicht allein der persönliche Besitz wurde enteignet, sondern auch der gute Name durch Verleumdung niedergemacht. Einige Heilige lehren, dass das Maß der Heiligkeit sich an der Fähigkeit zur Feindesliebe erkennen lässt. Angesichts dieses Kriteriums dürfen wir einen hohen Tugendgrad des Kaisers annehmen.
Gebet: Mein Herr und Gott, Du lehrst uns im Vaterunser, unseren Schuldigern zu verzeihen, damit auch wir Verzeihung finden. Hilf mir, nach dem Vorbild von Kaiser Karl erlittenes Unrecht verzeihen zu können. Gewähre mir mein Anliegen (…) auf die Fürsprache des Dieners Gottes Kaiser Karl. Amen.